Gedruckte Architektur – Londoner Büro teilt seine Erfahrungen mit 3D-Drucken

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Matt White ist Gründer von MATT Architecture und möchte mit seinem Team vielschichtige und breit aufgestellte Architekturprojekte verwirklichen. Dabei leistet sein Büro im Londoner West End Pionierarbeit, bei der verschiedene architektonische Elemente aus dem 3D-Drucker stammen. berührungsPUNKTE hat er Einblicke in seine spannende Arbeit mit dem 3D-Druck gewährt.

Ilona Rose House London
Eingangssituation Ilona Rose House London
Herr White, wie lange beschäftigen Sie sich schon mit 3D-Druck? Hat das Thema bereits während Ihres Studiums eine Rolle gespielt?

Mitte/Ende der Zweitausender habe ich mit ein paar Kollegen einen 3D-Drucker gebaut. Die Anleitung hatten wir aus dem Internet und die Blechteile haben wir im Büro mit einem Lasercutter aus Acryl zurechtgeschnitten. Dieses Vorgehen war enorm aufschlussreich, da wir so nachvollziehen konnten, wie die Technologie funktioniert. Und wir konnten per Lasergravur unsere Namen auf dem Drucker verewigen, da wir ihn ja selbst gebaut hatten!

Ich interessiere mich schon lange ganz allgemein für die neuen Möglichkeiten, die digitale Technologien bieten. Das bezieht sich nicht nur auf die technische Leistungsfähigkeit, sondern auch darauf, dass man individuelle Lösungen kostengünstig bereitstellen kann.

Wo genau nutzen Sie 3D-Druck in Ihren Projekten aktuell?

Anfangs haben wir den 3D-Druck ausgiebig für den Modellbau genutzt – für Designprototypen und Präsentationsmodelle. Im Laufe der technologischen Weiterentwicklung wurde unser Ehrgeiz aber immer größer, sowohl im Hinblick auf den Maßstab der gedruckten Teile als auch auf die Druckmaterialien. Für unseren Entwurf des „Ilona Rose House“, ein 30.000 qm großer Komplex im Zentrum von London, haben wir eine Fassade mit unzähligen Art-déco-Rosenmotiven konzipiert. Die ersten Rohlinge der Paneele wurden in unserem Büro am Leicester Square im Verhältnis 1:1 mit Formen aus unseren 3D-Druckern hergestellt.

Wellington House London
Frontansicht Wellington House London
Was denken Sie über den Vergleich von 3D-Technologie und Handwerk, z.B. bei der Herstellung von Modellen aus Holz? Ist dies eine Generationenfrage oder Geschmackssache? Oder richtet sich die Verwendung nach dem jeweiligen Zweck?

Als einer der ersten Anwender dieser Technologie hatten wir das Glück, Druckerherstellern und Filament-Lieferanten für ihre neuen Produkte Feedback zum Beta-Test geben zu können. Beispielsweise bedeutet der Druck mit „Holz“ in Wirklichkeit, dass einem relativ normalen Kunststoff-Filament pulverisiertes Holz beigemischt wurde. Dieses funktioniert wie ein Zuschlagstoff im Filament und bestimmt Drucktemperatur, Abkühlzeit, Viskosität und Düsengröße. Das Filament darf nicht so heiß werden, dass sich das Holz verfärbt oder gar verbrennt. Auch die endgültige Größe und Form von Druckerzeugnissen kann erhebliche Auswirkungen haben, da sich großflächige Bereiche an den Kanten gern aufrollen. Abgesehen davon lassen sich, wenn man die Variablen erst einmal beherrscht, spektakuläre Ergebnisse erzielen. So können wir in unserem Büro ein qualitativ hochwertiges Gebäudemodell aus „Holz“ erstellen, für das ein konventioneller Modellbauer Wochen gebraucht hätte und das dabei Tausende gekostet hätte.

Wie sieht es mit dem Prozess vom Design bis zum Druck aus? Können Sie etwas über die Kosten sagen?
Detail des Art-déco-Elements
Detail des Art-déco-Elements
Gedrucktes Art-déco-Element in der Fabrik
Gedrucktes Art-déco-Element in der Fabrik

Am teuersten ist definitiv das Design des Modells. Am Anfang stehen das Design und die Konstruktion des Gebäudemodells. Das ist ein gewaltiges Stück Arbeit. Und dann lässt sich das digitale Modell auch nicht einfach anpassen und drucken. Einige Komponenten, zum Beispiel die Pfosten der Vorhangfassade, sind zu klein, um stabil gedruckt werden zu können und müssen maßstabsgetreu angepasst werden.

Die Kosten des Druckmaterials sind meist sehr gering und betragen nur wenige Euro. Der größere Kostenfaktor ist auch an dieser Stelle die menschliche Arbeit: die Komponenten während des Drucks zu überwachen (was sehr lange dauern kann) und zu gewährleisten, dass der gesamte Prozess reibungslos verläuft.

Stichwort Fachwissen: Handelt es sich bei den Experten für 3D-Druck um Architekten oder IT-Fachkräfte?

Die Architektur ist ein facettenreicher Beruf, der Menschen aus verschiedensten Bereichen anzieht – technischen und/oder gestalterischen. Ein Teil der Freude an der Architektur besteht darin, dass man oft ein Interesse und Fähigkeiten hat, die sowohl technischer als auch künstlerischer Natur sind. Daher würde ich sagen, die korrekte Antwort lautet, dass 3D-Druckexperten beides gleichermaßen beherrschen: IT und Design.

Können Sie uns drei konkrete Beispiele für die mehrdimensionale Nutzung des 3D-Druckes nennen?

Bei den meisten Projekten auf unserer Webseite wurde in irgendeiner Form 3D-Druck eingesetzt. Man würde es vielleicht nicht vermuten, aber eine der ersten 3D-Druck-Anwendungen waren die traditionellen weißen Gesimse bei diesem Projekt: Grove Lane London

 

Straßenansicht der Grove Lane London

Zur Modellierung – und späteren Herstellung – der Fassadenpaneele haben wir bei diesen zwei Projekten ebenfalls 3D-Druck genutzt:

Wellington House in London und Ilona Rose House in London

 

 

Wellington House London
Blick auf das Wellington House in London
Ilona Rose House London
Blick auf das Ilona Rose House in London
Was glauben Sie, wie sich diese Technologie weiterentwickeln wird? Etwa für das Drucken von Häusern? Ist das eine fixe Idee oder wirklich zukunftsorientiert?

Ich glaube, dieser Technologie steht eine glänzende Zukunft bevor, zumal sie zunehmend in größerem Maßstab und mit unterschiedlichen Materialien verwendet wird. Es gibt bereits Häuser, die aus stranggepresstem Beton gedruckt werden, und Süßwaren, die aus Schokolade gedruckt werden. Überraschend ist vielleicht auch, dass selbst Metall 3D-gedruckt werden kann. Diese Technologie ist bereits beim Rapid Prototyping und Rapid Manufacturing in der Luft- und Raumfahrtindustrie verbreitet.

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