Mehrwert Baulücke: Lücken sind dazu da, geschlossen zu werden.

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Diese Tatsche trifft eigentlich in allen Bereichen zu – und so eben auch in der Architektur. Von Baulücken spricht man im spezifischen, wenn innerhalb eines bestimmten Bauabschnitts keine Bebauung wie in den umliegenden Bereichen vorliegt. Dies ist sowohl dann der Fall, wenn ein Grundstück noch komplett unbebaut ist, als auch, wenn ein großer Unterschied der Geschossanzahlen zwischen angrenzenden Gebäuden vorliegt. In beiden Fällen besteht die Möglichkeit, einen Baukörper zu ergänzen, der dann zu einer homogenen Häuserformation mit durchgängiger Fassadenfront führen kann. Auf diese Weise kann gerade in den Städten auf unkomplizierte Weise eine Nachverdichtung mit echtem Mehrwert erfolgen.

Raum für Potenzial

Dies ist auch der Grund, warum Nachverdichtungen mit Hilfe von nachträglichen Bebauungen von Baulücken zunehmend beliebter und auch von vielen Städten entsprechend gefördert werden. In städtischen Programmen, wie dem Baulückenprogramm in Köln, welches bereits 1990 aufgestellt wurde, wird ganz offensiv versucht, das Potenzial von Baulücken für neuen Wohnraum aufzudecken und anschließend nutzen zu können. Dabei geht es weniger darum jede freie Fläche willkürlich zu bebauen, wie es in fernöstlichen Mega-Metropolen vielfach der Fall ist. Vielmehr bieten viele, teilweise auch versteckte Grundstücke in der Stadt, die Chance eine zusätzliche Steigerung der Lebensqualität zu generieren. Auch die Begrenzung auf gewisse Geschossflächenzahl durch die Baugesetzgebung von Seiten der Regierung regelt in den hiesigen Städten, dass nicht ohne weiteres Hochhaus-Kolosse an jeder Ecke in die Höhe wachsen können.

Neu gedacht: Wenig Platz – viel Raum

Dass vorhandener und vor allem auch bezahlbarer Wohnraum in den Städten immer knapper wird, offenbart sich seit mehreren Jahren immer deutlicher. Durch die Nachverdichtung muss jedoch kein Freiraum reduziert oder versiegelt werden. In der Regel kann sogar die bereits vorhandene Infrastruktur unkompliziert und ohne größere Erweiterungen genutzt werden. Ein weiterer positiver Nebeneffekt ist dabei die Reduzierung des städtischen Verkehrsaufkommens. Denn in der Stadt konzentriert sich so Einzelhandel, Büro- und Wohnfläche, wodurch viele Wege zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückgelegt werden können. Aus diesen Gründen spricht man auch immer häufiger von einer „Innenentwicklung“ als lediglich von einer Nachverdichtung. Denn das Wort „Dichte“ ist bei vielen Menschen in diesem Zusammenhang nach wie vor negativ behaftet. Dies liegt in den frühen 1900er-Jahren begründet, als eine Vielzahl an dunkeln, engen Wohnungen in den Städten sowie eine daraus resultierende schnellen Übertragung von Krankheiten zum Alltag gehörten. Während in anderen Ländern und Kulturen teilweise auf sehr viel engerem Raum zusammengelebt wird, hat Platz und Platzbedarf in Deutschland nach wie vor einen sehr großen Stellenwert.

Urbane Strukturen für gutes Klima

Neben der Schaffung von reinem Wohnraum, lässt sich auch ein Trend zu Ergänzungen mit Freiflächen, Öffentlichen Räumen, Dachgärten und weitläufigen Grünanlagen auf Dächern erkennen. „Urban Gardening“ ist hier das Stichwort. Diese Art des Städtischen Gartenbaus etabliert sich aufgrund der Zunahme an urbanen Strukturen, dem Wunsch nach eigener Nahrungsmittelherstellung und einer gleichzeitigen Reduktion landwirtschaftlicher Flächen. Dies hat den positiven Nebeneffekt, dass dadurch auch versiegelte Flächen in den Städten reduziert werden und die Artenvielfalt von Flora und Fauna gefördert werden können. Der Kreativität sind dabei nahezu keine Grenzen gesetzt: Einfach anbauen und wachsen lassen.

Kreativität für die Zukunft

Ein hohes Maß an Kreativität bedarf es allerdings auch, wenn man sich selbst dazu entschließt, eine solche Baulücke mit Wohnfläche zu bebauen. Denn neben den bereits aufgeführten Vorteilen sowie dem nicht unwichtigen Aspekt eines kostengünstigeren Grundstücks, weil sich in der Regel keine zusätzlichen Erschließungskosten ergeben, bringt eine Baulücke meist keine idealen Verhältnisse mit sich. Meist handelt es sich um schmale, langgezogene Bauflächen. Auf diesen kann eine gute Belichtung der Innenräume zu einer Herausforderung werden. Auch Kompromisse zu den Nachbargrundstücken sind nicht unerheblich und müssen detailliert im Voraus bedacht werden. Doch dies bietet gleichzeitig auch die Chance, bekannte Wohnformen noch einmal neu und intensiver zu hinterfragen sowie mit neuen Ansätzen zu planen. Wie viel Platz braucht man wirklich zum Wohnen und wo sollten die einzelnen Räume innerhalb des Hauses verortet sein? Dabei geht es weniger darum, das Rad neu zu erfinden, als vielmehr um die Erforschung neuer Möglichkeiten. Die Niederländer sind mit ihren bekannten Lücken- bzw. Grachtenhäusern ein herausragendes Beispiel. Hier entstehen auf sehr schmalen Grundflächen sehr vielfältige und beeindruckende Innenräume. Kreative Vielfalt trifft auf Homogenität, ohne langweilig zu wirken. Ein Ansatz, der auch in deutschen Städten qualitativen Lebensraum fördern kann.

Da in vielen Städten Baulücken als Baugrundstücke jedoch häufig nicht immer einfach zu entdecken sind, gilt es, mit offenen Augen durch die Stadt zu gehen, wenn man auf der Suche sein sollte. Auf diese Wiese bekommt der Ausspruch „Mut zur Lücke“ eine völlig andere Bedeutung – eine Herausforderung für neue Möglichkeiten.

 

Alle Fotos © Ricardo Gomez Angel auf unsplash.

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