Zwei Blicke weiter: schrumpelige Erdklumpen auf Metalltabletts. Ein vergessener Lagerraum? Wer kann diese trüben Gebilde schon brauchen? Tatsächlich: ganz Europa. Das Pilzsubstrat der Kernser Edelpilzzucht ist gefragt wie kaum ein anderes, kommt es doch aus dem einzigen Unternehmen, das es dank elaborierter Verfahren schafft, vollautomatisch zu produzieren – und das in Bio-Qualität.
Verborgene Geschichten in markant detaillierten, faszinierenden Bildern festgehalten. 25 Orte, auf die bisher kaum jemand einen Blick werfen durfte. Das Kunstprojekt „HIDDEN“ der Kuratorin Catherine Iselin und des Fotografen Kostas Maros hat diese Orte zugänglich gemacht, ohne ihnen das Magische, Berührende, aber auch mitunter Verstörende zu nehmen. Ein Blick auf die Schweiz, der durch seine Vielschichtigkeit und seinen thematischen Reichtum Ländergrenzen mühelos überschreitet.
„Kostas Maros und ich haben uns vor 15 Jahren an der Universität in Basel kennengelernt und schnell festgestellt, dass uns ähnliche Themen faszinieren: das Unsichtbare, das Unheimliche, das Verbotene. Dabei haben wir uns immer wieder gefunden“, erzählt Kuratorin Catherine Iselin. Durch „HIDDEN“ sind die verwandten Interessen in ein gemeinsames Projekt geflossen.
Eine der wichtigsten Fragen zu Beginn des Projekts war die des Mediums. „Für mich kam nur die Fotografie in Frage – aufgrund ihres Echtheitscharakters. Wären die verborgenen Orte gezeichnet oder gemalt worden, hätten die Bilder nicht den gleichen Effekt gehabt“, betont Iselin. Fotografie wird als Dokumentation empfunden, sie vermittelt glaubhafte Abbilder, denen der Betrachter vertraut – eine wichtige Voraussetzung beim Festhalten des Verborgenen. Das Projekt arbeitet außerdem gezielt ohne Texte, es ist keine Reportage. „Wir wollten nichts auf dem Silbertablett präsentieren. So hat jeder diesen faszinierenden, intimen Moment, in dem er das für ihn Verborgene entdeckt.“
„HIDDEN“ übersteigt die Fähigkeiten des menschlichen Auges. Winkel und Details der Fotografien sind größer und vielfältiger als auf einen Blick erfassbar. Diese Detailliertheit steht jedoch nicht im Widerspruch zum Verborgenen, denn oftmals materialisiert sich erst durch genaues Betrachten, durch das Nachspüren der Einzelheiten das Verborgene.
Das liegt vor allem am Blickwinkel und Können des Fotografen. „Architektur und Ästhetik gehören untrennbar zum Schaffen von Kostas Maros. Wer seine Arbeiten betrachtet, sieht, wie viel er mit Struktur, Ornament und Perspektive arbeitet.“ Sicherlich ein Grund dafür, dass er mit acht Bildern der Serie den renommierten Swiss Photo Award 2018 in der Kategorie Architektur gewonnen hat.
Von Anfang an waren sich Iselin und Maros einig, dass die Räume ohne Personen abgebildet werden. „Vor Ort haben wir jedoch schnell gemerkt, dass Menschen und Räume letztendlich untrennbar sind. Die Personen, die dort leben und arbeiten, gehören zu diesem Ort, sie vervollständigen die Geschichte. Deswegen haben wir als zusätzliches Projekt auch die Menschen porträtiert“, so Iselin. Vor einem neutralen Hintergrund wurde jede Person mit einem von ihr selbst ausgesuchten Gegenstand abgelichtet. Die Zuordnung müssen Betrachter der Ausstellung und des zugehörigen Buches selbst vornehmen – oft mit Überraschungseffekt.
Vorurteilsfrei Vielfalt zeigen war ein großes Ziel des Projekts. „Wir haben versucht, nicht nur geografisch, sondern auch thematisch so viele Orte wie möglich miteinzubeziehen. Räume aus der Forschung, Landwirtschaft, Verteidigung oder Kultur. Dazu gehören auch Orte wie ein Halal-Schlachthof oder ein Darkroom, die die Gesellschaft spalten. Uns war es wichtig, diese nicht außen vor zu lassen, sondern ihnen ganz ohne Wertung einen Platz zu geben“, unterstreicht die Kuratorin. Dabei fungieren
die Fotos auch als Zeitzeugen: Das Hörspielstudio des Schweizer Radio und Fernsehens beispielsweise verlor durch die Digitalisierung seine Bestimmung und wurde einige Zeit nach den Fotoaufnahmen abgerissen.
Eine Fortsetzung des Projekts ist bereits geplant, allerdings in einem anderen Kontext. Dieser wird noch nicht verraten, ganz im Gegensatz zur grundlegenden Erkenntnis, die Iselin und Maros aus dem Projekt mitgenommen haben: „Egal wie faszinierend verborgen ein Ort oder ein Handwerk auch sein mag, für irgendjemanden ist es Alltag.“
Die Schweizer Kunsthistorikerin Catherine Iselin arbeitete von 2012 bis 2017 als Digital Curator und wissenschaftliche Mitarbeiterin für die Fondation Beyeler in Riehen/Basel, bevor sie 2018 ihre Stelle als Leiterin des Forum Würth Arlesheim antrat. Privat realisiert sie als freischaffende Kuratorin seit 2011 Kunstausstellungen und schreibt als Autorin für diverse (Online-)Magazine.
Der Schweizer Fotograf Kostas Maros absolvierte an der Universität eine rechtswissenschaftliche Ausbildung und arbeitete einige Jahre im juristischen Berufsfeld, bevor er 2013 autodidaktisch zur Fotografie wechselte. Seither ist er in der Schweiz und im Ausland tätig. Für seine Arbeiten wurde er unter anderem im Rahmen des Prix de la Photographie, Paris, des vfg Nachwuchsförderpreises und des Swiss Press Award ausgezeichnet.
„HIDDEN – Verborgene Orte in der Schweiz“ ist zurzeit als Gastausstellung im Forum Würth Arlesheim noch bis zum 26.01.2020 zu sehen. Alle Fotografien stammen von Kostas Maros. Das Buch HIDDEN, herausgegeben von Catherine Iselin, ist im Christoph Merian Verlag erschienen und erhältlich.
EUR 48,–
ISBN 978-3-85616-870-4.
Das Interview mit Catherine Iselin und Kostas Maros führte Lena Petzold.