Hawala – »Warum nicht?«

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Hawala – »Warum nicht?«

Hawala – Jahrhunderte altes System der Geldüberweisung funktioniert ohne Bank

Seit Jahrhunderten funktioniert Hawala, ein System zum Geldüberweisen ohne Formular, ohne Geldautomat, ohne Bankschalter. Das System beruht einzig auf dem Vertrauen der Kunden. In arabischen Ländern ist diese »Bank des kleinen Mannes« nicht wegzudenken.

Das Procedere ist so alt wie der Handel über Grenzen hinweg. Anfänglich waren es nur Viehverkäufer, die nach dem Verkauf auf den Märkten durch vertrauenswürdige Vermittler Geld an ihre Verwandten schickten. Hawala diente auch dazu, Händler auf ihren Reisen vor Räubern zu schützen. Im Laufe der Zeit bildeten wohlhabende Personen mit Ansehen und Auslandskonten die Anlaufstelle. Das Hawala-System wurde später von den kolonialen Administrationen meist toleriert und hat sich bis heute gehalten.

Handschlag und Codewort

Eine Hawala-Überweisung erfolgt mit minimalem Papieraufwand und wird nirgendwo elektronisch gespeichert. Es werden Geldströme per Handschlag über private Treuhänder nur mit einem Codewort um die Welt geleitet. Wer aus Berlin Geld nach Islamabad überweisen will, hat die Auswahl unter mehr als zehn bekannten »Hawala-Stuben«, die offiziell Trödelhändler, Imbissstände oder Juweliere sind. Das Geld wird dort abgegeben, dafür erhält der Kunde einen Zettel mit einer Buchstaben- oder Ziffernfolge. Diese wird nun an einen Hawala-Partner per Fax in Islamabad übermittelt. Wer danach in Islamabad die betroffenen kryptischen Zeichen kennt, erhält den Geldbetrag. Vor allem Gast- und Wanderarbeiter aus Nahost, Afrika und Asien bedienen sich der Hawala, um Geld an ihre Familien zu überweisen. Durch Mobilfunk, Fax und Internet wird der Vorgang der Überweisung immens beschleunigt. Vorteile sind niedrige Überweisungskosten, schnelle Abwicklung und das Entfallen jeglicher Bürokratie (siehe Kasten). Auch internationale Organisationen, etwa die Schweizer Caritas, nützen in einigen Ländern mangels Alternative die Dienste der Hawala-Institute. Urs Bigger, Compliance Officer der Credit Suisse Group, würde sein Geld einem Hawala- Agenten anvertrauen: »Wenn ich Geld in ein Land ohne westliches Banksystem überweisen müsste, warum nicht? Zudem ist es in manchen Ländern häufig günstiger, schneller und sicherer als die konventionellen Wege, die in solchen Ländern teilweise gar nicht funktionieren.« (»bulletin «, Nr. 2 / 2003)

Kriminelles System?

Im Westen steht Hawala im Verdacht, gigantische Geldmengen zu verschieben und Terrorismus und Drogenhandel zu finanzieren. Hawala ist nicht an sich ein kriminelles System, kann allerdings hervorragend zur Geldwäsche genutzt werden – Folge der Anonymität. Im Prinzip lassen sich Hawala- Institute mit westlichen Firmen wie Western Union oder MoneyGram vergleichen, die das private Para-Banking betreiben. Auch die Kommissionen lassen sich vergleichen: sie liegen, je nach der überwiesenen Summe, bei drei bis sieben Prozent. Der wesentliche Unterschied ist, dass westliche Firmen ihre Filialen und Agenten überall eintragen lassen. Da ist die Möglichkeit, illegale Gelder blitzschnell zu verschieben, zumindest eingeschränkt, und die Geschäfte unterstehen den je nach Land verschieden Geldwäschegesetzen. Hawala-Agent kann im Prinzip jeder werden, dem die Firma vertraut.

Nach den terroristischen Anschlägen vom 11. September geriet Hawala ins Visier der USRegierung. Sie beschuldigte Bin Ladens Netzwerk El-Kaida, die hinter den Anschlägen stehenden Terroristen über Hawala finanziert zu haben. Die Vereinten Arabischen Emirate (VAE), die als zentraler Verteiler im Hawala- System gelten, gerieten unter westlichen Druck. Ihre Banken sollten Hawala ein für allemal abschaffen. Doch wegen der wirtschaftlichen Bedeutung, die Hawala für islamische Länder in Südasien, Afrika und für die Golfstaaten hat, widersetzten sich die VAE. Stattdessen konfiszierten sie verdächtige Geldmengen und sind dabei, die lukrativen Hawala-Transfers zu lizensieren und in den Banken ein Überwachungssystem der Geldströme zu etablieren. Die VAE wollen mit Hilfe von Lizenzen und Kontrollen die gut funktionierenden, anonymen Geldbotendienste transparenter machen.

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