Ein sperriger Betonklotz als Bauplatz? „Eigentum verpflichtet“ – das muss den Bauherren klar gewesen sein, als sie sich zum Kauf eines alten Luftschutzbunkers im westfälischen Hamm entschieden. Gemeinsam mit dem Bonner Architekturbüro archivolver haben sie ein Penthouse auf den Hochbunker gesetzt, in dem sie jetzt leben.
Urbanes Wohnen auf eigenwillige Art. „Der respektvolle Umgang mit dem Bunker als zeitgeschichtliches Dokument war unsere Prämisse“ erläutert Architekt Michael Amort seine Herangehensweise. Die Bausubstanz bleibt äußerlich völlig unverändert, aus Respekt vor dem historischen Bestand zerstören auch keine Fenster die dicken Mauern. Der neue Baukörper ist aufgesetzt, der Kontrast zwischen Alt und Neu durch eine Fuge betont, die im Dunklen sogar beleuchtet ist. Das Penthouse scheint über seinem Unterbau zu schweben.
„Den Bunker kann man schön oder hässlich finden, aber als Bauwerk hat er Charakter und Würde“ erklärt Amort. „Diese Eigenschaften kann man ihm nicht absprechen.“ Viele Gründerzeitvillen hat der seit 2001 selbstständige Architekt mit seinem Bonner Büro saniert und umgebaut, aber bei solchen Projekten schlägt sein Herz höher. „Der spannende Kontrast zwischen den historischen Bauten in Hamm und dem Neubau tut dem Stadtbild gut. Die beiden Komponenten werden sich wechselseitig bereichern.“ Eine funktionierende Stadt sollte in der Lage sein, auch unattraktive Gebäude wie den Hochbunker zu integrieren. Das Potenzial einer gesunden Stadt liegt in der Fähigkeit, solche Dinge aufnehmen zu können. „Der Bunker hat eine Vergangenheit, es gab Gründe für den Bau“ sagt Amort. „Betonnarben schließen und ihm einen netten Anstrich verpassen ist der falsche Umgang mit dem geschichtlichen Dokument.“
Nachdenklich stimmen Amort die Themen Brachflächen, Baulücken und Leerstand in den Städten. Er fordert andere auf, innerstädtische Brachflächen kreativ zu nutzen. Er selbst hat dazu im Herbst 2007 zusammen mit dem Label BRAND-A Entwürfe für Köln/Bonner Baulücken präsentiert, die vom Publikum begeistert aufgenommen wurden. Sie machten Vorschläge, wie Baulücken neu belebt und genutzt werden können und gleichzeitig einen positiven Beitrag zum Stadtbild leisten. In der Ausstellung „urban branding“ haben sie den kreativen Umgang mit Baulücken bewiesen: Heiter, fröhlich und positiv stellen sie sich die Gebäude vor, die die tristen Lücken in der Stadt füllen.
Die Faszination für Baulücken und Stadtbrachen bringen Amort sogar so weit, von einem Eigentümer-TÜV zu träumen. „Ohne Führerscheinprüfung und TÜV-Plakette dürfen wir nicht am Verkehr teilnehmen – so etwas sollte es auch für Hausbesitzer geben!“ Schmunzelnd fügt er hinzu: “ Ich wünsche mir einen Eignungstest für Bauherren.“ Er hat die verwahrlosten Lücken, die nicht genutzten Obergeschosse und verfallenen Gebäude in den Innenstädten vor Augen, wenn er wagt zu sagen, dass von städtischer Seite viel mehr bei den „Besitzenden“ reguliert werden müsse. Im Sinn des Allgemeinwohls wünscht er sich mehr Eigenverantwortung seitens der Eigentümer, um das immense Entwicklungspotenzial der Innenstädte nutzen zu können. Und mehr Verantwortung bei den Städten und Kommunen. „Die Städte versuchen zu oft, die Zahnpasta wieder zurück in die Tube zubekommen“ so Amort. Er erläutert, dass bei Gauben und Carports bis ins Kleinste gemaßregelt wird, bei städtebaulichem Allgemeingut aber schlampig verfahren wird. Er denkt dabei wohl auch an Bonn, die Stadt in der er wohnt und arbeitet: die Diskussionen um die Umgestaltung des so genannten „Bonner Lochs“, einer Fußgängerunterführung und Verteilerebene unter dem Bahnhofsvorplatz aus den 70er Jahren, und um die Umnutzung des ehemaligen Kinos Metropol, erbaut 1928. Den Erhalt eines Bestandsgebäudes um jeden Preis unterstützt er aber nicht. „Spannend ist, wenn man einem alten Gebäude einen neuen Geist einhaucht. Wenn es gar keine Funktion mehr hat, die den Erhalt legitimiert, muss es wohl abgerissen werden.“
Was wünscht er sich für seine Zukunft? „Ich wünsche mir nicht die reichen, sondern die interessanten und mutigen Bauherren – die, die bereit sind Verantwortung für unsere gebaute Umwelt zu übernehmen; Menschen, die experimentierfreudig sind, ohne waghalsig zu sein.“ „Positive Komplizen“ nennt er solche Auftraggeber. Eigentum verpflichtet.
Michael Armort
1966 geboren in Hannover
Garten- und Landschaftsbau-Ausbildung und Architekturstudium an der RWTH Aachen
Seit 2001 eigenes Architekturbüro
2006 Gründung des Architektenlabels brand-a
Text: Katja Domschky, acube >> architekturpr