Der Dogenpalast: Venedigs Zentrum der Macht #veniceclassics

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Angrenzend an den Markusdom befindet sich der Dogenpalast, der mehr als 900 Jahre die Residenz der Dogen Venedigs war. Prunkvoll verzierte Decken, vergoldete Schnitzereien und Kunstwerke berühmter Maler zieren die Innenräume, in denen wichtige Regierungsangelegenheiten abgewickelt wurden. Im Erdgeschoss hingegen fristeten Staatsgefangene und Hochverräter in feuchten und dunklen Gefängniszellen ihr Dasein.

Loggia mit Säulengang

Von den Anfängen bis heute

Im Jahr 811 verlegte der Doge Agnello Particiaco seinen Regierungssitz an den „Rivo Alto“, der jedoch durch ein großes Feuer im Jahr 976 zusammen mit dem Markusdom niederbrannte. Auch der Nachfolgebau blieb nicht lange erhalten, so dass erst unter dem 39. Dogen Sebastiano Ziani am Ende des 12. Jahrhunderts der erste nennenswerte Dogenpalast errichtet wurde. Der Bau bestand aus drei Flügeln, die Dogenräume, einen Justizpalast und ein Versammlungssaal beherbergten und gleichzeitig einen Innenhof umfassten. Außerdem wurde der Bau erstmals aus Stein, statt aus Holz errichtet. Ab 1340, zur Regierungszeit des Dogen Bartolomeo Gradenigo, wurde der Palast vollständig umgestaltet – dieser Umbau war prägend für das heutige Aussehen des Dogenpalastes, denn in dieser Zeit wurde der byzantinische Stil abgelöst von dem gotischen. Der Bau der „Porta della Carta“ war die letzte Baumaßnahme in dieser Zeit und diente als repräsentativer Zugang zum Palasthof sowie als Verbindung zum Markusdom.

Weitere Brände im 15. Und 16. Jahrhundert zerstörten den Palast zum wiederholten Male, jedoch wurde er gemäß den ursprünglichen Plänen immer wieder aufgebaut und die Fassade restauriert. Nach dem Ende der Republik Venedig wurde der Dogenpalast unter französischer und österreichischer Herrschaft als Sitz für Ämter und Institutionen genutzt – auch heute ist noch eines der Ämter in den Räumlichkeiten ansässig, die übrigen befinden sich bereits an anderen Orten. Seit 1923 ist die Stadt Venedig für die Verwaltung des Dogenpalastes zuständig, der als Museum für die Öffentlichkeit zugänglich ist.  

Vielfältig und prächtig

Aufgrund der vielen Baumaßnahmen ist die Architektur des Dogenpalastes eine Mischung verschiedenster Stile und zeigt so den Wandel der Zeit – ob orientalische Elemente, byzantinische Kunst, Gotik oder Renaissance. Die Bauteile des Komplexes liegen auf Fundamenten aus Baumstämmen und istrischem Stein und sind aus Ziegeln, verkleidet mit farbigen Marmor, errichtet worden. Während die Ostseite zum Rio del Palazzo aus vier Stockwerken besteht, sind Süd- und Westfront dreigeschossig. Besonders aufwendig und prunkvoll wurde die zum Markusplatz zeigende Westseite gestaltet, die im ersten Geschoss mit einer Loggia mit Säulengang aufwarten kann. Zwei dieser Säulen sind in Rot gefärbt – zwischen ihnen wurden dem Volk die Todesurteile verkündet.

© Nino Barbieri, Venice - Doge's Palace - Upper arcade 01, CC BY-SA 2.5

Passend dazu befindet sich ganz in der Nähe über einer Säule eine Abbildung der Justitia mit Schwert und Schriftrolle zwischen zwei Löwen – das Symbol der Rechtsprechung, gefertigt von Filippo Calendarios. Er gehörte zu den bedeutendsten Architekten und Bildhauern des 14. Jahrhunderts in Venedig und war unter anderem für eines der Eckkapitelle im oberen Geschoss verantwortlich, das den Sündenfall von Adam und Eva zeigt. Durch die Porta della Carta, die von den venezianischen Baumeistern Giovanni und von Bartolomeo Bon errichtet wurde, gelangt man in den Innenhof. Der Durchgang war den venezianischen Bürgern damals nicht gestattet, so dass sie durch die „Porta della Frumento“ gehen mussten, um zum Dogenpalast zu gelangen. Die Porta della Carta wurde im Stil der Spätgotik erbaut und ist mit ihren reichlich verzierten Spitzbogenfenstern und den vielen Skulpturen ein echtes Schmuckstück. Auch der geflügelte Markuslöwe findet sich hier wieder, vor dem der Doge Francesco Foscari ehrfürchtig niederkniet.

Großer Raum für große Taten

Besonders die Decken der Innenräume sind so prunkvoll gestaltet, dass man beim Betreten nicht weiß, wohin der Blick zuerst schweifen soll. Im Saal des Großes Rates fand die Wahl der Dogen statt, an der um die 1000 Adlige teilnahmen. Zudem gilt der Saal als der größte ungestütze Europas und mit einer Länge von 54 m auch als größter des gesamten Dogenpalastes. Ein riesiges Bild mit dem Titel „Das Paradies“ ziert die hintere Wand des Raumes, das von Jacopo Tintoretto gemalt wurde. Zu dieser Zeit galt dieses beeindruckende Kunstwerk als das größte Gemälde der Welt – heute ist es da zweitgrößte Ölgemälde.

Francesco Guardi: Sala del Collegio

Unterkunft für Gefangene

Der Dogenpalast bot nicht nur Räume für Versammlungen und Amtshandlungen, sondern beherbergte auch Staatsgefangene und Hochverräter. Das Gefängnis ist auf zwei Gebäude aufgeteilt, die durch die Seufzerbrücke verbunden sind. Und auch im Dogenpalast selbst befanden sich Gefängniszellen: Die sogenannten „Pozzi“ im Erdgeschoss waren über eine Treppe mit dem Amtszimmer der „Rat der Zehn“ verbunden und mit Türen und Luftschächten ausgestattet, die sich nur Richtung Korridore öffneten. Bei Hochwasser standen die Zellen, ausgestattet mit Pritschen aus Steinblöcken, häufig unter Wasser. Unter dem Blei gedeckten Dach des Palastes befanden sich 6 bis 7 weitere Zellen, die „Piombi“. Die dort herrschende Hitze war oftmals unerträglich, denn die Belüftung durch ein winziges Fenster in der Tür sorgte kaum für Luftzirkulation. Untergebracht waren hier überwiegend Personen, die aufgrund politischer Vergehen bestraft werden sollten oder die auf ihr Urteil warteten. 

Giacomo Casanova

Einer dieser Gefangenen war der berühmt berüchtigte Giacomo Casanova (1725-1798), dem aus den vermeintlich ausbruchsicheren „Piombi“ die Flucht gelang. Seine Erfahrungen schrieb er später nieder und fasste sie in dem Abenteuerroman „Geschichte meiner Flucht“ zusammen. In diesem erzählt er auch, dass er den Palast bei seiner Flucht durch einen der Haupteingänge verließ – seine edle Kleidung, die er bei der Verhaftung trug, nutzte er zur Tarnung. 

Giacomo Casanova, gemalt von Alessandro Longhi (um 1774)
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