Ein Leben für Venedig - Jane da Mosto

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Doppelte Liebe: Die 1966 in Südafrika geborene und in London ausgebildete Umweltwissenschaftlerin Jane Press zog 1995 nach Venedig, nachdem sie den Grafen Francesco da Mosto geheiratet hatte.

Jane Da Mosto

Doch bereits zuvor war sie in die Stadt verliebt gewesen, in der ihre Mutter ein Haus besaß. Gräfin Jane da Mosto ist eine international erfahrene Beraterin für nachhaltige Entwicklung, Klimawandel und Feuchtgebietsökologie. Seit 2012 bemüht sich die Mitbegründerin der ausschließlich über Spenden finanzierten NGO „We are here Venice“ (weareherevenice.org) intensiv um die Zukunft Venedigs. Außerdem hat sie viele Jahre in einem Projekt gearbeitet, das von „Venice in Peril“ (Venedig in Gefahr) unterstützt wird. Seit 1995 hat sie zahlreiche Projekte, darunter für lokale NGOs, die Agenda 21 für die Stadt Venedig, das OECD Territorial Review oder die British Council Installation auf der Architektur-Biennale mitgestaltet oder verantwortet. Jane da Mosto ist Co-Autorin des Buches „The Science of Saving Venice“, das 2005 erschien und sich mit den Gefahren befasst, denen Venedig und die Lagune ausgesetzt sind. Ihr zuletzt erschienenes Buch „Acqua in Piazza“ (2016) erklärt, wie die unterschiedlichen Wasserstände in Venedig zustande kommen, wodurch Überflutungen verursacht werden und wie die Menschen an einem Ort leben und arbeiten, der immer wieder überflutet wird.

Heute lebt sie mit ihrem Ehemann, der als Architekt und Fernsehmoderator tätig ist, sowie den vier gemeinsamen Kindern im Familienpalazzo der da Mostos in der Lagunenstadt. Die Da-Mosto-Dynastie lebt bereits seit über 800 Jahren in der Serenissima – ihre Mitglieder waren Kaufleute und Kurtisanen, Abenteurer und Akademiker. Der älteste erhaltene Palazzo am Canal Grande, Ca’ da Mosto, war bis 1603 im Familienbesitz. Heute leben die da Mostos in einem anderen Palazzo, dem Palazzo Baglioni, mit Zugang zu einem Kanal, natürlich mit einem eigenen Boot, herrlichen Treppen und antiken Fresken.

So weit eine märchenhafte Geschichte – doch Jane da Mosto ist eine sehr im echten Leben verhaftete, engagierte Frau. Sie arbeitet hart mit ihrem Team von „We are here Venice“, um die Bedrohungen Venedigs zu verstehen und echte Lösungen zu finden. Außerdem hält sie Vorträge, taucht häufig in den Medien auf und spricht auf Konferenzen und Seminaren weltweit über Venedig. 2017 wurde die Aktivistin von der Stadt Venedig mit dem Preis „Osella d’Oro“ ausgezeichnet (benannt nach der Goldmünze, die die Dogen den Senatoren schenkten).

Damit wurde ihr stetiges, persönliches Engagement für das kulturelle Leben der Stadt, die Wahrung ihres Sozialgefüges, der Lagune und des außergewöhnlichen Stadtbildes auf dem Wasser honoriert. 

Über ihre ersten Jahre in Venedig sagt Jane da Mosto, sie seien wie ein „sanfter, euphorischer Traum“ gewesen. Sie war nicht nur von Kirchen und Palästen fasziniert, sondern auch von Kleinigkeiten wie den Algen an Gebäuden – fasziniert ist sie davon auch heute noch. Und erstaunt über den familieneigenen Palazzo, der im Vergleich zu vielen modernen Wohnbauten nach über 400 Jahren immer noch stabil, robust und elegant dasteht. Mit niedrigen Räumen, die im Winter gut beheizbar sind, und hohen, die im Sommer Luftigkeit bieten. Sie lobt die Vorzüge des Lebens in Venedig: keine Staus, kein Weg, der länger als 20 Minuten dauert, kulturelle Angebote und Übersichtlichkeit. Gleichzeitig macht sie sich große Sorgen um die Stadt: Das Vorhandensein tiefer Navigationskanäle für Tanker und Kreuzfahrtschiffe hat in der Lagune zu starken Strömungen geführt, die lebenswichtige Sedimente wegspülen. Riesige Salzmarschgebiete verschwinden. Und dann sind da natürlich noch die negativen Auswirkungen des Tourismus und der dramatische Rückgang der Einwohnerschaft. Nur einige der Gründe für ihr Engagement, diese fantastische Stadt mit ihren herrlichen Palazzi, hübschen Kanälen und dem sagenhaften Flair zu retten. Wir sprachen mit Jane da Mosto über Venedig, die Kostbarkeit, deren Rettung sie sich zur Aufgabe gemacht hat.

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Kostbares [#37] oder: Was ist Ihnen lieb und teuer?


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Sie wohnen in einem altehrwürdigen Palazzo. Erzählen Sie uns ein bisschen über die Räumlichkeiten und die Bewohner?

Das Gebäude ist 400 Jahre alt, und die Familie meines Mannes bewohnt es seit 100 Jahren. Im typischen venezianischen Palazzo befinden sich Wohn- und Arbeitsräume für die Patrizierfamilie, Lagerräume usw. sowie Wohnungen für Mitarbeiter und Verwandte. Mein Schwiegervater weigert sich, dem Trend der touristischen Unterbringung nachzugeben, der die Zukunft Venedigs als lebendige Stadt bedroht.

Deshalb sind alle Wohnungen von Menschen bewohnt, die in Venedig leben und arbeiten. Zuweilen kollidieren moderne Gesundheits- und Sicherheitsanforderungen mit den architektonischen Gegebenheiten, daher beneide ich meinen Mann nicht, der sich um die alltäglichen Angelegenheiten eines riesigen, antiken Palazzos kümmern muss. Zusätzlich scheint es, dass die überlastete Denkmalschutzkommission manchmal etwas willkürlich in der Anwendung der Vorschriften vorgeht.

Sie setzen sich für Umweltschutz und Nachhaltigkeit ein. Welche Kriterien sollte nachhaltige Architektur Ihrer Ansicht nach erfüllen?

Nachhaltige Architektur sollte das Beste aus der Umgebung machen, einschließlich des Einsatzes von Materialien und Energie. Das beste Beispiel ist das Haus, in dem ich aufgewachsen bin und das Marco Zanuso in Südafrika für meine Eltern gebaut hat. Die Farm ist jetzt im Besitz einer Arbeiterkooperative, und das Haus wird nicht mehr gepflegt. Dank der durchdachten Verwendung von Stein und Holz in Verbindung mit intelligentem Design ist es aber immer noch funktional und stimmungsvoll.

Was können Architekten heute von der Bauweise der venezianischen Palazzi lernen?

Die venezianische Art zu bauen ist sehr umgebungsspezifisch. Die Schönheit der Architektur resultiert aus einer Reihe von praktischen Überlegungen, beispielsweise wie man gleichzeitig ein Maximum an Leichtigkeit und Robustheit erreichen kann. Jedes Gebäude in Venedig ruht auf einem Wald aus Holzpfählen, die in der verfestigten Schlammschicht verankert sind, die als „caranto“ (harter, kalziumreicher Stein, der unter den weicheren Sedimenten liegt, aus denen die Inseln bestehen) bekannt ist. Die Basis ist immer istrianischer Stein, eine Art weißer Marmor, der relativ undurchlässig ist. Die Wände sind aus Ziegelsteinen und dekorativen Elementen, die nicht zu schwer sein dürfen, damit die Absenkung nur langsam vor sich geht.

Lagunenstadt Venedig

Venedig repräsentiert Jahrhunderte von Kunst und Architektur – was muss passieren, um diesen Schatz vor der Zerstörung und dem möglichen Untergang zu schützen?

Der Hashtag #veniceforthevenetiansvenicefortheworld stammt von einem langen Nachmittag mit Vivienne Westwood und Andreas Kronthaler in den frühen Tagen von „We are here Venice“. Vivienne hat meine wachsende Überzeugung, dass Venedig nur überleben wird, wenn es seine Gemeinschaft bewahrt, verstanden. Jede Stadt muss von ihren Bewohnern gepflegt werden wie ein Zuhause von der Familie. Venedig ist ein Mikrokosmos vieler globaler Probleme, die dringend auf planetarischer Ebene angegangen werden müssen. Wenn wir also Venedigs Dimensionen und die jahrhundertelange Symbiose zwischen Mensch und Natur – und dem physischen System der Lagune (sowohl eine Lebensader als auch eine Bedrohung) – nutzen, um die Dinge aus der Nähe und vergrößert zu sehen und die Dinge zu verändern, dienen diese Erfahrungen auch anderen Situationen anderswo. Oder wie Vivienne es formuliert: Wenn wir Venedig nicht retten können, was bedeutet das dann für den Rest der Menschheit?

Die Probleme werden durch den Klimawandel noch verschlimmert. Was können Politik und Individuen tun?

Mein Vater hatte ein großes Unternehmen, und vor dem Eingang des Hauptquartiers war eine Gedenktafel angebracht: „Der Erfolg eines Unternehmens ist das Ergebnis der gemeinsamen Anstrengungen seiner Mitarbeiter, Werte zu schaffen.“ Dasselbe gilt für das planetarische Management. Wir befinden uns eindeutig im „Anthropozän“, was bedeutet, dass menschliche Aktivitäten das Erdsystem mehr beeinflussen als physische und natürliche Prozesse und deshalb radikale Veränderungen im politischen Bereich stattfinden müssen, um die menschlichen Aktivitäten wieder für die Erde tragfähig zu machen. Das heißt, der Einzelne ist maßgeblich daran beteiligt, den richtigen Druck für Veränderungen zu erzeugen. „We are here Venice“ soll den Menschen verstehen helfen, was mit Venedig geschieht. Unsere Arbeit umfasst die Schaffung eines Bewusstseins für die Bedrohungen der Zukunft der Stadt und der Stabilität der Lagune ebenso wie das konstruktive Aufzeigen möglicher Lösungen und das Ergreifen konkreter Maßnahmen.

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