Die Bibliotheksgeschichte beginnt bereits im alten Rom – in der Spätzeit der Republik mit den Privatbibliotheken römischer Adelsfamilien. Unverzichtbares Prestigeobjekt waren sie auch in späteren Jahrhunderten in den Herrschaftsresidenzen in ganz Europa. Die Privatbibliothek Kurfürst August des Starken von Sachsen, 1556 zu Repräsentationszwecken errichtet, wurde bis 1788 vor allem dem Fürstenhaus und ausgewählten Gelehrten genutzt. Ab 1788 wurde sie zur Öffentlichen Bibliothek und damit den Menschen der Region eröffnet, die dort Wissenswertes über viele Themen finden konnten. Vielleicht auch über die eigene Heimat?
Was erzählt solch eine fürstliche oder kaiserliche Privatbibliothek über politische, ökonomische und soziale Entwicklungen der Untertanen? Einiges: Denn sie spiegelt die privaten Interessen des Fürsten ebenso wie den intellektuellen Diskurs zwischen Herrscher und Kreisen der Bevölkerung. Insbesondere Letzterer gibt Aufschluss über das Leben der Zeit und damit indirekt auch über vieles, was sich hinter dem Heimatbegriff verbirgt.
Als die Bibliothek des sächsischen Fürsten Landesbibliothek wurde, hatte ein kleiner Kreis der gut situierten Oberschicht – Repräsentanten des Hofes, Adelsmitglieder sowie vermögende Angehörige des Bildungs- und Wirtschaftsbürgertums – bereits begonnen, beträchtliche Summen in spezielle Bücherschränke und Regalsysteme als Repräsentationsmöbel zu investieren. Damit schuf sich ein bibliophiler Personenkreis exklusive Privatbibliotheken, in denen man nicht nur schmökern konnte, sondern mit denen man vor allem protzen konnte. Soweit die Unterstellung. Fakt ist, dass im 18. Jahrhundert einige umfassende Büchersammlungen entstanden. Ein Beispiel ist die Privatbibliothek Goethes, die sich mit etwa 7.000 Bänden auch heute noch in seinem Wohnhaus in Weimar befindet. Die Hausbibliothek der Gebrüder Grimm umfasste 5.500 Bände, für die es auch einen Katalog gibt. Als bemerkenswerte Privatbibliothek neueren Datums seien die rund 50.000 Bücher des Schriftstellers Umberto Eco genannt.
Und heute? Wie steht es um die Privatbibliothek? Wer braucht in Zeiten von Internet und E-Books noch eine Büchersammlung? Wer möchte in solch antiquiertem Setting repräsentieren? Ist das nicht veraltet und elitäres Gehabe? Oder geht es um etwas ganz Anderes? Das gedruckte Buch aus Papier, mit schönem Einband und fühlbarer Haptik ist immer noch da für seine Fans.
Es verhält sich dabei ein bisschen wie mit dem Reisen: Das Erleben der Zeit ist bei der Lektüre des gedruckten Werks ein anderes als beim digitalen Literaturgenuss. Wie weit man gekommen ist, wie viele Seiten man bereits umgeblättert hat, ist spürbar und sichtbar – so wie Anfang und Ende des erzählten Abenteuers. Das bleibt beim E-Book abstrakt. Es ist der Flieger unter den lesbaren Transportmitteln, während das klassische Papier-Buch eher Wanderschuh oder vielleicht Zug ist. Passend dazu sagte Alexander Skipis, Geschäftsführer des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, im Deutschlandfunk: „Wir können mit dem Buch so etwas wie eine Wellness-Oase für die Seele bieten.“ Das passt zur viel beschworenen Entschleunigung in hektischen Zeiten, die möglicherweise mit dem Druckerzeugnis besser unterstützt wird als mit seinem digitalen Zwilling.
Es bleibt also dabei: Wer Platz hat und ein Faible fürs gedruckte Buch, wird sich immer noch gern eine Privatbibliothek oder wenigstens eine schöne Bücherwand einrichten. Natürlich hat sich auch das Bücherregal verändert – hier steht heute nicht mehr der Brockhaus, sondern sie ist heute bunt und divers wie die Gesellschaft selbst. Neben Romanen und Magazinen stehen Vasen, Designstücke oder Bilder, die visuellen Ansprüche haben sich gewandelt. Auch hier hat der Trend zur Individualisierung Einzug gehalten. Die persönliche Literatursammlung soll schließlich auch gut aussehen – doch worum es dem passionierten Leser immer noch am meisten geht: während der Lektüre den Duft von Papier und Worten zu atmen – umso mehr, wenn er sich den Garten Eden wie der argentinische Schriftsteller Jorge Luis Borges erträumt:
„Ich habe mir das Paradies immer als eine Art Bibliothek vorgestellt.“