Im Verborgenen. Ein Kunststück im Rahmen der bobiennale.

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In Bochum findet zum zweiten Mal die bobiennale (13.–23. Juni 2019) statt – das Festival der freien Szene Bochum. „Die Desinteressierten“ ist ein Projekt im Verborgenen. Von Dorothee Schäfer.

Sie kauern in kleinen Nischen im Mauerwerk. Auf Warmwasserversorgungsleitungen im Grünen. Auf Mauervorsprüngen und in Athen. Man sieht sie kaum und doch ziehen sie den Betrachter – einmal entdeckt – in ihren Bann. Man enträtselt die Form: Ist es ein tönerner Mensch, der kauert oder hockt, eine liebe- oder sorgenvolle Mutter mit Kind? Hingetupfte Glasurakzente deuten auf ein Vorne hin – oder ein Oben. Darf man sie anfassen? Stehen sie absichtlich dort? Gehören sie jemandem? Manchmal stößt man auch auf in der Natur oder an Mauern aufgeklebte Fotografien von eben diesen Wesen, die mehr Ton als Figur – aber mit umso mehr Seele sind.

Weiße Tonfigur auf einer alten Mauer
Braunrote Tonfigur auf einem Naturhintergrund inszeniert

Die Bochumer Bildhauerin Dorothee Schäfer verantwortet diese kleinen Störenfriede oder Harmonizer – wie man’s nimmt – und lässt dieses Miniaturenprojekt seit fast einem Jahr reifen und laufen. Ein bisschen aus einem gedankenverlorenen Tongeknete entstand plötzlich eine Figur, die viel mehr war als nur Fingerübung. Dorothee nennt sie „Die Desinteressierten“. Die Bezeichnung tut fast weh – weil: Sie erwecken so gar nicht den Anschein eines/einer Desinteressierten. Und das Schlimmste: Man selbst kann sich ihnen nur mit fasziniertem Wohlwollen nähern – kaum aber sich desinteressiert abwenden.

Dorothee hat den Plan während ihres letzten Athen-Aufenthalts professionalisiert, trägt seitdem immer etwas Ton mit sich, dem manchmal gedankenverloren in ihren Händen eine zarte Seele eingehaucht wird. Als sie in Athen mit alten Menschen ein Kunstprojekt realisierte, hinterließen diese ehemals starken, nun manchmal kraftlosen und runzligen Hände in dem Tonklumpen ein ganzes erzähltes Leben – teilweise mit sichtbaren Fingerprints, die sie zu einem wertvollen Andenken für die Angehörigen machten.

Verstecke Tonfigur im Mauerwerk
Guerilla-light-mäßig platzierte Tonfigur auf einem Industrierohr

Guerilla-light-mäßig wird die Künstlerin nun Bilder und Tonfiguren an Orten platzieren, wo sie gerade den Impuls verspürt, dass sie das passende, wenn auch vielleicht nur temporäre Zuhause sind, für ihre „Desinteressierten“. Aber blutet ihr nicht das Herz beim Gedanken daran, dass sie im besten Fall mitgenommen und in einem neuen Zuhause platziert, schlimmstenfalls mutwillig oder fahrlässig zerstört werden? „Das habe ich bedacht. Die Figuren sind nicht gebrannt. Sie zerbröseln, wenn man nicht behutsam mit ihnen umgeht, sie bleiben nur bei großer Achtsamkeit und Vorsicht heil!“ So ist das eben mit den „Desinteressierten“.

Zurzeit findet in Bochum die zweite „bobiennale“ statt. Nach einem erfolgreichen Kick-off 2017 präsentiert sich im Zeitraum vom 13.–23. Juni 2019 wieder das „Festival der freien Szene Bochum“ in seiner ganzen Vielfalt und Eigenheit. Mehr darüber gibt’s über www.bobiennale.de. Und wenn Ihnen ein kleines Ton-Seelchen auf dem Springorum-Radweg in Bochum oder sonstwo begegnet: Was machen Sie dann?

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