Abseits der Hauptstraßen – ein Architekturprojekt in Afrika

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Ruanda – das kleine, unscheinbare Land der 1.000 Hügel im östlichen Afrika, umschlossen von seinen vier Nachbarländern – ist alles andere als eine begehrte Architektur-Destination. Seine Kraft liegt eher im Verborgenen, in der einzigartigen Natur, der weitläufigen Landschaft, den Berggorillas, die sich nur selten aus ihren Verstecken hervortrauen. Um in diesem Land zu bauen, bedarf es viel Sensibilität und Fingerspitzengefühl. Der Architekt und Stadtplaner Dominikus Stark stellte sich dieser Herausforderung und entwarf 2010 ein Ausbildungszentrum in dem kleinen Ort Nyanza, das diese ländliche Region stärken soll.

Einein schwarz gekleidete Frau vorbei am Ausbildungszentrum

Wie ist die Arbeit als deutscher Architekt in einem afrikanischen Land? BerührungsPUNKTE hat ihn gefragt.

 

Wie kamen Sie dazu, in Ruanda ein Projekt zu realisieren? Da ich bereits Kontakte nach Ruanda hatte, besuchte ich das Land zunächst aus Neugier. In dieser Zeit lernte ich dort interessante Initiativen kennen und sehr engagierte Menschen, wie zum Beispiel einen Österreicher, der einer kleinen Gruppe Jugendlicher mit viel Engagement die Grundlagen des Maurerhandwerks beibrachte. Um geschützt vor Sonne und Regen arbeiten zu können, benötigte er ein Dach. So entstand nach und nach die Idee für ein Ausbildungszentrum.

 

„Insgesamt 575.000 Backsteine wurden für das Education Center Nyanza von Hand hergestellt und verbaut. Davon profitierten besonders die lokalen Produzenten.“ (Dominikus Stark)

Wie haben Sie die Arbeit in Afrika erlebt und wie unterscheidet sie sich von der in Europa? Die Arbeit in Afrika und Europa ist sehr unterschiedlich. Einer der größten Unterschiede war, dass die Baumaterialien in Ruanda sehr teuer sind, die Löhne aber sehr billig. Daraus ergab sich die Möglichkeit, ausschließlich handwerklich hergestellte und veredelte Baumaterialien für das Projekt zu verwenden und ein besonderes Haus mit einfachen Mitteln gemeinsam mit den Menschen vor Ort zu erschaffen. Die Wahl des Materials fiel letztendlich auf Backstein. Insgesamt 575.000 Backsteine wurden für das „Education Center Nyanza“ von Hand hergestellt und verbaut. Davon profitierten besonders die lokalen Produzenten.

 

Was war die größte Herausforderung für Sie? Aus einfachen Mitteln ein Haus zu bauen, das dauerhaft gut, dauerhaft schön ist und am Ende gern genutzt wird, war eine der größten Herausforderungen für mich. Denn die Idee bestand darin, die vorhandenen ortsüblichen Materialien sowie das Handwerk wertzuschätzen. Ich wollte unter Beweis stellen, dass die Wertigkeit nur über die eigene Handwerksleistung entstehen kann.

Nahaufnahme Papyrushalme
24.000 Meter vernähte Papyrushalme wurden für den Bau des Education Center verwendet.
Ausbildungszentrum mit Papyrustür
Zudem sammeln die schrägen Dächer das kostbare Regenwasser und die Speichermasse der massiven Ziegelwände sorgt für ein angenehmes Raumklima.

„Am Ende geht es in der Architektur darum, Bedürfnissen einen langfristig gültigen Raum zu geben.“ (Dominikus Stark)

 

Würden Sie Absolventen oder jungen Architekten dazu raten, sich ebenfalls in dieser Form zu engagieren? Das ist ein schwieriges Thema, über das ich schon viel nachgedacht habe, doch ich bin zu keiner klaren Lösung gekommen. Obwohl ich oft in Ruanda war, bin ich ein Besucher geblieben. Am Ende geht es in der Architektur darum, Bedürfnissen einen langfristig gültigen Raum zu geben. Doch inwieweit kennt man die Bedürfnisse einer anderen Kultur wirklich? Das muss wahrscheinlich jeder für sich entscheiden.

 

Hat Sie die Arbeit in einem der ärmsten Länder der Welt verändert oder für bestimmte Dinge sensibilisiert? Der Blick auf viele Dinge hat sich verändert. Die Fragestellungen und Themen in Ruanda sind grundsätzlicher und oft auch existenziell. Außerdem sind meine Fähigkeiten in Gelassenheit und Improvisation dort stark gereift.

 

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Welche Anerkennung haben Sie für das Projekt bekommen? Das Projekt hat viele nationale und internationale Architekturpreise gewonnen, was mich sehr überrascht hat. Das ist eine schöne Anerkennung für die eigene Arbeit. Noch schöner ist es jedoch, wenn das Gebäude für seinen Zweck einen positiven Beitrag leisten kann und sich die Menschen gern dort aufhalten, denn in der Architektur geht es immer um den Versuch, am richtigen Ort das richtige Gebäude zu bauen. Dabei gibt es immer mehrere mögliche Lösungen. Wir haben versucht, eine davon zu finden.

Man sagt „Einmal Afrika – immer Afrika“! Können Sie das bestätigen? Ja, das kann ich! Ruanda ist ein wunderschönes und faszinierendes Land. Ich war für ein Hotelprojekt erneut dort und würde auch jederzeit wieder in Ruanda bauen. Das Licht, die Farben der Erde, die Gerüche – allein dafür lohnt es sich wiederzukommen.

Dominikus Stark, geboren 1973 in Starnberg, absolvierte zuerst eine Schreinerlehre, bevor er ein Studium der Architektur an der Fachhochschule München aufnahm. Seinen Masterabschluss in Immobilienökonomie erhielt er an der European Business School. Im Jahr 2004 gründete Dominikus Stark sein eigenes Architekturbüro „Dominikus Stark Architekten“ mit Sitz in München.

www.dominikusstark.de

 

Fotografie: www.florian-holzherr.com

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