Architektur-Biennale Venedig 2018: UNES-CO! Nicht UNESCO!

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Biennale 2018: UNES-CO! Nicht UNESCO!

Länderbeitrag in den Giardini: Tschechische Republik und Slowakei

Titel: UNES-CO

Kommissar: Adam Budak

Kuratoren: Katerina Seda, Hana Jirmusova Lazarowitz

Internationale Fahnen schmücken die vier Fassadenseiten von außen, innen ist der Ausstellungsraum von weißen, neutralen Flaggen umsäumt – In großen Lettern steht NORMAL LIFE IS A FULLTIME JOB an der Kopfwand. Der Empfang mit dem Schriftzug UNES-CO versehen. Ein Video mit Alltagssituationen in einer Kleinstadt läuft in Dauerschleife. Alltagssituationen wie Auto waschen, spielende Kinder auf dem Asphalt, strickende Frauen auf Bänken vor ihren Häusern, Mütter mit Kinderwagen plaudernd an der Straßenecke.

Das Städtchen, um das es geht, heißt Cesky Krumlov, oder Krumau und liegt an der Moldau in Südböhmen (Tschechien). Die historische Altstadt wird als Kulturdenkmal auf der Liste des UNESCO-Welterbes geführt. Die Stadt wurde 1963 zum städtischen Denkmalschutzgebiet erklärt. Beschauliche 13.000 Einwohner bevölkern das Städtchen, das jährlich von Unmengen an Touristen heimgesucht wird. Ein normales Leben ist in Krumau nicht mehr möglich. Alles ist auf Massentourismus ausgerichtet. Gemeinschaftseinrichtungen und Geschäfte für den täglichen Bedarf der Einheimischen gibt es kaum noch.

Die Künstlerin Katerina Seda hat sich der Problematik gestellt und ein dreimonatiges Projekt ins Leben gerufen. Unter dem Titel NORMAL LIFE hat sie Einwohner gebeten, sich für die Anstellung eines „normalen Lebens“ zu bewerben und entsprechend für die Zeit eines kurzen Kameradrehs, normalen Alltagsbeschäftigungen nachzugehen. Normale Dinge wie an der Straßenecke stehen und mit den Nachbarn quatschen, Kinder, die auf der Straße mit Kreide malen, die Entgegennahme eines Pakets im Hauseingang, Wäsche zum Trocknen aus den Fenstern hängen… All dies ist im Laufe der Jahre und mit der Zunahme der Touristenströme nämlich nicht mehr möglich. Massen drängen sich durch die Straßen und Gassen, es wird überall geknipst, Tore werden aufgestoßen, die zu privaten Bereichen führen, in Fenster geschaut, um die Neugierde zu befriedigen, wer denn in diesem Häuschen wohnen mag.

UNES heißt übrigens „tragen, ertragen“ und CO bedeutet „etwas“. Ein eindrucksvolles Wortspiel, das Katerina Seda für ihre Belange nutzt und aufzeigt, dass kulturelle Anerkennung sicherlich ein Segen für den Erhalt eines Städtchens ist – aber ebenso ein Fluch für die Bewohner sein kann.

Die Venezianer hier, gerade zu Zeiten der Architektur-Biennale oder in der Hauptsaison, wenn sich die Kreuzfahrtschiffe in der Lagune stauen, wissen bestens, wovon die junge Künstlerin spricht und was es bedeutet, eben kein normales Leben mehr zuleben.

Biennale 2018: UNES-CO! Nicht UNESCO!

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www.unes-co.cz

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